geb. 3. Febr. 1851 Sulz (Neckar), gest. 1. Febr. 1941 Giengen (Brenz)
"Oft muss ich ja hören: ‘Wie kamen Sie denn zu dieser Sache? Es hat Ihnen wohl an Betätigungsmöglichkeiten sonst gefehlt?’ Sechs Kinder, zwei Hauswesen mit großem Garten und sonstige viele Verpflichtungen gaben Arbeit mehr als genug, ich konnte aber die rücksichtslose Ausbeutung der Natur einfach nicht länger mit ansehen."
Lina Hähnle ist über 45 Jahre alt, als sie in Württemberg ihr Engagement für den Schutz der Vogelwelt beginnt. Schnell erkennt sie, dass Artenschutz nur über Lebensraumschutz zu verwirklichen ist. Noch fehlen gesetzliche Instrumente. So betreibt Lina Hähnle Naturschutz durch Grunderwerb und errichtet ab 1898 private Schutzgebiete, wofür sie immer wieder beträchtliche Summen des ehelichen Kapitals verwendet. Im gleichen Jahr gründet Lina Hähnle den ‘Bund für Vogelschutz’ (BfV), den sie 40 Jahre lang leitet und dessen Aufgabenfelder und Struktur sie nach ihren Vorstellungen formt. In ihm ist sie während des ganzen Deutschen Reiches tätig: 1913 hat der BfV bereits 50 Schutzgebiete gepachtet; diese Zahl steigt bis 1928 auf über 100 an.
Hierbei bewährt sich das von Lina Hähnle aufgebaute und stetig ausgeweitete Netzwerk. Dank ihrer jahrzehntelangen Werbung und Kontaktpflege hat sie einflussreiche Persönlichkeiten aus Adel, Wirtschaft und Politik für ihre Ziele gewonnen.
Über unzählige Ausstellungen und Exkursionen organisiert Lina Hähnle den fachlichen Austausch. Es ist ihr wichtig, die Kräfte zum Schutz der Natur sinnvoll zu bündeln und so die Wirksamkeit ihres Einsatzes insgesamt zu erhöhen.
Lina Hähnles besonderes Anliegen ist es, den Naturschutzgedanken weiten Kreisen der Bevölkerung nahe zu bringen. In diesem Sinne setzt sie im BfV langfristig sehr niedrige Mitgliedsbeiträge durch und betreibt intensive Öffentlichkeitsarbeit. Bis ins hohe Alter unternimmt sie Vortragsreisen, ihre Qualitäten als Rednerin werden immer wieder hervorgehoben. Die hohen Mitgliederzahlen des BfV (1916 bereits 40.000) und seine Zusammensetzung aus Männern und Frauen fast aller sozialer Schichten sind Abbild ihres Wirkens.
Text: Marlies Dittberner, Roswitha Kirsch-Stracke & Dagmar Krüger (1997)