Frauen im Naturschutz – Ohne Geschichte?
Diese Vorstellung drängt sich auf, wenn wir beginnen, uns mit einem Jahrhundert überlieferter Naturschutzgeschichte auseinander zu setzen. Scheinbar gab es keine Frauen bei der Entstehung des organisierten Naturschutzes in Deutschland – haben Frauen also nichts dazu beigetragen, den Naturschutz zu dem zu machen, was er heute ist?
Geschichte ist nicht nur das,
was uns die Geschichtsschreibung überliefert.
Wer Geschichte schreibt, wertet und selektiert – bewusst und unbewusst. Frauen im Naturschutz, ihre Namen, Aktivitäten und Einflüsse sind bisher ausgespart worden. Ein erster Schritt ist daher ihr Sichtbarmachen. Die gefundenen Spuren geben Einblicke, in welchen Strukturen und Themenbereichen sich bürgerliche Frauen in der Zeit von der Jahrhundertwende bis 1933 im Naturschutz engagierten.
Zwischen Aufbruch und Ausschluss
Die Voraussetzungen für ein Frauenengagement im Naturschutz jener Zeit waren schwierig. Den bürgerlichen Frauen im Kaiserreich boten sich wenig Möglichkeiten, die Natur zu erleben:
- Frauen wurden durch das herrschende Rollenverständnis auf ein Betätigungsfeld in Haus und Familie beschränkt. Damit waren ihre Aktivitäten zeitlich und räumlich eng gebunden.
- Knöchellange Kleider, Korsetts und lange, schwere Haare behinderten ihre Bewegungsmöglichkeiten im Freien.
Erst langsam, dann verstärkt nach dem Ersten Weltkrieg, vollzog sich der Wandel, und Frauen eroberten sich den öffentlichen Raum und die Landschaft.
Gleichzeitig wurden rechtliche Neuerungen in Politik und Bildung vorgenommen, aber dennoch unterschieden sich die Rahmenbedingungen für ein öffentliches Engagement von Frauen und Männern erheblich:
- Es gab nur wenige höhere Schulen für Mädchen, und die Universitäten waren erst Anfang des Jahrhunderts für Frauen allgemein zugänglich.
- Gesellschaftlich wurde eine Berufsausbildung oder ein Studium für Frauen – zumal in einem nicht erzieherischen oder pflegerischen Fach – als zu kostspielig und als überflüssig angesehen.
- In der Weimarer Republik konnte verheirateten, berufstätigen Frauen als sogenannten ‘Doppelverdienern’ fristlos gekündigt werden, um so für Männer Stellen zu schaffen.
Diese Bedingungen erschwerten Frauen die individuelle Entscheidung für ein außerfamiliäres Engagement und beeinflussten die Personalpolitik im Naturschutz.
Spuren von Naturschützerinnen
Trotz der schwierigen Voraussetzungen waren Naturschützerinnen in der Zeit von 1900 bis 1933 überall zu finden:
Ihr Anteil in Naturschutzvereinen war allerdings meist gering, da es sich zum Großteil um berufsbezogene Zusammenschlüsse handelte. Zwei Vereine jener Zeit zeichneten sich jedoch durch ihre bewusste Ausrichtung auf breite Bevölkerungsschichten und damit auch auf Frauen aus:
- Der Bund für Vogelschutz von 1899 (BfV; heute NABU):
Als einziger Verein wurde der BfV von einer Frau, Lina Hähnle, gegründet. Sein Vorstand setzte sich aus weiblichen und männlichen Mitgliedern zusammen, und 40 % der örtlichen Gruppen wurden von Frauen geleitet. - Der Volksbund Naturschutz von 1922:
Der Verein wurde von einer Frau, Margot Büttner, mit aufgebaut. Ihm gehörten seit seiner Gründung zahlreiche weibliche Mitglieder an. Auffallend ist ihr hoher Anteil unter den Teilnehmerinnen der Deutschen Naturschutztage.
Im staatlichen Naturschutz herrschte eine noch stärkere Orientierung an beruflicher Qualifikation und politischer Position vor. Auf leitenden oder wissenschaftlichen Stellen waren kaum Frauen vertreten. Sie arbeiteten als Sekretärinnen, Bibliothekarinnen oder als nichtwissenschaftliche Hilfskräfte. Über diese Positionen konnten sie im Naturschutz wirken, zum Teil waren sie enge Mitarbeiterinnen der Geschäftsführer bzw. Kommissare der amtlichen Stellen.
Aufgrund der eingeschränkten Möglichkeiten eines beruflichen Engagements im Naturschutz suchten sich Frauen ihren Weg außerhalb vorgegebener Strukturen. Sie agierten aus anderen Berufen heraus, beispielsweise als Schriftstellerinnen oder Malerinnen. Andere handelten als Privatpersonen, dann zumeist mit konkretem räumlichen Bezug.
Fünf biographisch vorgestellte Frauen stehen exemplarisch für viele noch unbekannte. Angesichts ihres Engagements werden Wertsetzung und Auswahl der bisherigen Geschichtsschreibung im Naturschutz fragwürdig.
Zukünftig geht es darum, den über hundertjährigen Erfahrungsschatz zu nutzen – durch die Aufarbeitung von Geschichte von Männern und Frauen. Denn ihre unterschiedlichen Alltagserfahrungen prägten ihr Verständnis von Naturschutz und bestimmten Inhalte und Ausrichtung.
Nur über den geschichtlichen Vergleich können das gegenwärtige Potential des Naturschutzes sowie die Reichweite und Grenzen seiner Ansätze beurteilt werden.
Text: Marlies Dittberner, Roswitha Kirsch-Stracke & Dagmar Krüger (1997)
Veröffentlichung: Krüger, Dagmar, Marlies Dittberner & Roswitha Kirsch-Stracke (1999): Frauen in den Anfängen des Naturschutzes - Spurensuche 1900-1933. Texte einer Ausstellung. In: Bock, Stephanie & Heidrun Hubenthal (Hg.): Zurück oder Vor? 1978-1998, Dokumentation der 4. Planerinnentagung in Kassel. Arbeitsberichte des Fachbereichs Stadtplanung Landschaftsplanung, Universität Gesamthochschule Kassel 135, S.198-211.
Grundlage: Dittberner, Marlies (1996): Frauen in den Anfängen des Naturschutzes in Deutschland - kein Thema? Diplomarbeit am Institut für Landschaftspflege und Naturschutz, Universität Hannover, unveröffentlicht.
Nachweise für die verwendeten Zitate in den Biografien:
Lina Hähnle 1941; zit. in: Hanemann, Horst; Simon, Jürgen (1987): Bund für Vogelschutz: die Chronik eines Naturschutzverbandes von 1899-1984. Wiesbaden. S.20-21.
Elisabeth Rudorff; zit. in: Banke-Rhode, Sophie (1964): Elisabeth Rudorff. Natur und Mensch. Blätter für Natur- und Heimatschutz. Jg.6, Nr.11/12, S.192.
Margarete Boie; in: Boie, Margarete (1906): Juist. Emden. S.1.
Theda Behme; in: Behme, Theda (1931): Reklame und Heimatbild. Berlin. S.6.