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Empirische Planungskulturforschung in schrumpfenden Städten und Stadtregionen am Beispiel von Freiraum-, Wohnflächen- und Einzelhandelsentwicklungen.

Empirische Planungskulturforschung in schrumpfenden Städten und Stadtregionen am Beispiel von Freiraum-, Wohnflächen- und Einzelhandelsentwicklungen.

Leitung:  Prof. Dr. Rainer Danielzyk (IUP), Prof. Dr. Uta Hohn (Geographisches Institut der Ruhr-Universität Bochum), Dr. Mario Reimer (ILS - Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung, Dortmund)
Team:  Dr. Sebastian Krätzig (IUP), M.Sc. Helge Conrad (Ruhr-Universität Bochum), M.Sc. Peter Stroms (ILS)
Jahr:  2018
Förderung:  Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)
Laufzeit:  August 2016 - Dezember 2018
Ist abgeschlossen:  ja

 

Kurzbeschreibung:

Im Projekt wurden theoretisch und empirisch fundierte Antworten auf die Frage generiert, inwiefern es beim Übergang von einer wachstumsorientierten zu einer auf Anpassung an mehrdimensionale Schrumpfungsprozesse ausgerichteten Planung zu einem Wandel lokaler und regionaler Planungskulturen kommt. Persistenz und Wandel des institutionellen Gefüges handlungsleitender Werte, Normen, Bedeutungszuweisungen und Wahrnehmungsmuster sowie die Adaption der Diskurse, Handlungslogiken und ‑praktiken standen im Fokus. Unter Berücksichtigung von Entwicklungspfaden und administrativ-hierarchischen Mehrebenenbezügen wurden die komplexen Wechselbeziehungen zwischen der institutionellen Welt des formellen Planungssystems und der institutionellen Welt informeller Diskurs- und Handlungskontexte analysiert.

Hierzu wurden unter Anwendung eines akteurs- und institutionentheoretisch basierten Analysemodells die planungskulturellen Konfigurationen und Dynamiken auf kommunaler und stadtregionaler Ebene in vier Fallstudien seit 1990 vergleichend untersucht (Gelsenkirchen, Saarbrücken, Halle (Saale), Chemnitz). Der Vergleich war dreifach kontrastierend angelegt:

Erstens wurden mit der Freiraum-, Wohnflächen- und Einzelhandelsentwicklung Themenfelder in den Fokus gerückt, die sich in ihren institutionellen Settings und Akteurskonstellationen unterscheiden, so dass sektorale Variationen betrachtet werden konnten. Das IUP als hannoverscher Projektpartner übernahm hierbei den Fokus auf die Einzelhandelsentwicklungen.

Zweitens wurden mit der Auswahl von Fallstudien aus den alten wie neuen Bundesländern die Implikationen divergierender planungskultureller Entwicklungspfade sowie unterschiedlicher ökonomischer und demografischer Rahmenbedingungen der Schrumpfungsanpassung in den Vergleich einbezogen.

Drittens wurden je zwei Fallstudien mit einer ähnlichen Schrumpfungsgeschichte innerhalb der alten bzw. der neuen Bundesländer vergleichend analysiert, um neben den Gemeinsamkeiten die Unterschiede in den Anpassungsstrategien aufgrund des je spezifischen lokalen und regionalen planungskulturellen Kontextes herauszuarbeiten.

 

Durchführung und Ergebnisse:

Insgesamt wurden 93 leitfadengestützte qualitative Interviews mit Akteuren aus Verwaltung, Verbänden und Vereinen, Wirtschaft und Politik sowie wissenschaftlichen Experten geführt. Auf diese mehr als 127 Stunden Interviewmaterial stützte sich das Forschungsprojekt im Wesentlichen. Darüber hinaus wurden während der Forschungsaufenthalte umfangreiche Archiv- und Bibliotheksrecherchen vor Ort realisiert. Ihren Abschluss fand die Erhebungsphase mit Expertenworkshops in den einzelnen Fallstudienstädten (Gelsenkirchen: 20.04.2017; Saarbrücken: 01.12.2017; Halle: 25.05.2018; Chemnitz: 30.11.2018). Darin wurden ausgewählten Schlüsselakteuren aus Planung, Politik, Wirtschaft, Verbänden und Zivilgesellschaft erste Zwischenergebnisse präsentiert und anschließend diskutiert. Durch diese Ergebnisreflexion konnten zusätzliche Erkenntnisse zum planungskulturellen Wandel in den jeweiligen Städten gewonnen werden.

Für die Auswertung des empirischen Materials wurden zunächst sechs Schlüsselkategorien analysiert, die sich aus dem Material unter Rückkopplung an ein Modell zur Analyse von Planungskulturen (Hohn & Reimer 2014) und unter Rückbezug zur verwendeten Theorie herauskristallisierten: historisch-kulturelle Prägung, stadtplanerisches Setting, endogene und exogene Herausforderungen, Schlüsselakteure und Akteurskonstellationen, lokale Wahrnehmung und Deutung von Herausforderungen sowie instrumentelles Setting.

In einem zweiten Schritt wurden anhand prägnanter Veränderungen in den Schlüsselkategorien vier Hauptphasen der Stadtentwicklungsplanung aus dem empirischen Material abgeleitet (die 1990er, die frühen 2000er, die späten 2000er und die 2010er Jahre). Auf diese Weise wurden die empirischen Ergebnisse einerseits strukturiert und handhabbar gemacht, andererseits konnten so Wendepunkte sowohl in der Stadtentwicklung als auch in den formellen wie informellen Planungswelten aufgezeigt werden. Hinter diesem Vorgehen stand die Annahme, dass der Wandel und die Adaption von Planungskulturen insbesondere im Kontext von Umbruchsituationen offengelegt werden kann.

Die Ergebnisse des Projekts tragen zum planungswissenschaftlichen Erkenntnisfortschritt bei, da sie deutlich machen, dass sehr differenzierte lokale Planungskulturen innerhalb eines regional-, landes- und bundespolitischen Rahmens (Mehrebenenbezug) existieren und diese auch differenziert betrachtet werden müssen. Der empirische Nachweis von lokalen ausdifferenzierten Planungskulturen konnte dabei über den Zugang einer umfassenden institutionen- und akteursorientierten Analyse erbracht werden, der es ermöglicht, Strukturen, Prozesse und Akteure in ihrer Verflechtung tiefgreifend zu verstehen. Es konnte aufgezeigt werden, dass das theoretisch-konzeptionelle Modell zur Analyse von Planungskulturen operationalisiert und empirisch angewendet werden kann. Das Verständnis einer empirisch-analytischen Planungskulturforschung – in klarer Abgrenzung zur normativen Dimension des Begriffs – wurde deutlich geschärft. Dabei gelang es, ein Set planungskultureller Schlüsselkategorien zu entwickeln, die eine Fokussierung auf Kernaspekte lokaler Planungskulturen erlauben.

 

Eine Publikation ist in Vorbereitung.