Publikationen (FIS)

Species richness in urban green spaces

Relevant aspects for nature conservation.

verfasst von
Sarah Matthies
betreut von
Rüdiger Prasse
Abstract

Urbane Grünflächen wie Parks, Friedhöfe oder Kleingärten stellen wichtige Lebensräume für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten dar. Der Erhalt und die Förderung der Artenvielfalt dieser Flächen rücken daher zunehmend in das Interesse des Naturschutzes. Neben einer generellen Erhöhung der Artenzahlen konzentrieren sich Managementansätze des Naturschutzes besonders auf naturschutzfachlich wertvolle Arten (z. B. gefährdete Arten). Das Vorkommen und die Ausbreitung von nicht einheimischen Arten in diesen Lebensräumen sollen hingegen verhindert werden, um damit verbundene Probleme zu vermeiden (insb. invasive Arten). Große Kenntnisdefizite bestehen derzeit noch dahingehend, welche Faktoren ausschlaggebend für die Artenvielfalt städtischer Grünflächen sind. Vorliegende Studien deuten darauf hin, dass vielfältige Faktoren wirksam sind, die u.a. in der Arten-Areal-Beziehung, Distanzeffekten und der Habitatstruktur der Flächen begründet sind. Eine besondere Herausforderung besteht darin, diejenigen Faktoren zu identifizieren, die neben der Artenanzahl unterschiedlicher und für die Grünflächen charakteristischer Artengruppen (z. B. Vögel, Pflanzen) auch die Vielfalt der naturschutzfachlich besonders bedeutsamen Arten innerhalb dieser taxonomischen Gruppen erklären (z. B. gefährdete Arten, einheimische / nicht einheimische Arten). Entsprechende Kenntnisse wären bedeutsam für die Naturschutzpraxis und könnten sowohl bei der Planung neuer Grünflächen, als auch für das Management existierender Flächen genutzt werden. Das übergeordnete Ziel dieser Arbeit war es, die wesentlichen Einflussfaktoren für die Artenvielfalt urbaner Grünflächen zu ermitteln. Als erstes Teilziel sollten sowohl die maßgeblichen Einflussfaktoren für die Artenzahlen ausgewählter Artengruppen, als auch die Einflussfaktoren für die darin enthaltenen, naturschutzfachlich besonders relevanten Arten identifiziert werden. Ein weiteres Teilziel war die Prüfung der Übertragbarkeit dieser Einflussfaktoren auf Städte unterschiedlicher klimatischer Regionen. Schließlich sollten geeignete Freilandmethoden zur Erfassung von Artenzahlen auf urbanen Grünflächen als Grundlage für naturschutzfachliche Bewertungen untersucht und evaluiert werden. Die Untersuchung erfolgte am Beispiel von Gefäßpflanzen, Vögeln und Säugetieren in 32 urbanen Grünflächen in Hannover, Deutschland. Es wurde der Frage nachgegangen, welche Faktoren die Gesamtartenzahlen dieser drei Artengruppen auf den Flächen bestimmen. Hierbei wurde auch untersucht, welche Faktoren die einheimischen und gefährdeten Arten erklären. Bei den Gefäßpflanzen wurden darüber hinaus die Einflussfaktoren für die Anzahl der vorhandenen nicht einheimischen, Zier- und stickstoffliebenden Arten untersucht. Abgeleitet aus der Arten-Areal-Beziehung wurde die Flächengröße als ein Einflussfaktor überprüft. Die Distanz der Grünflächen zum Stadtrand, die Distanz zur nächsten Freifläche, sowie die Dichte, der Anteil, die Konnektivität und die Diversität an Freiflächen in einem 500 m Puffer wurden genutzt, um Distanzeffekte zu beschreiben. Die Flächenform, die Anzahl an Habitattypen und die Diversität an Habitattypen innerhalb der Grünflächen beschrieben die Effekte der Habitatstruktur. Die einfaktorielle Analyse zeigte, dass je größer eine Grünfläche war, desto höher waren die Artenzahlen von Gefäßpflanzen, Vögeln und Säugetieren, als auch der Anteil an gefährdeten Gefäßpflanzen. Zusätzlich wurden höhere Anzahlen und Anteile an Zierpflanzen und nicht einheimischen Gefäßpflanzen in kompakteren Flächen gefunden. In Grünflächen mit einer Vielzahl an Habitattypen wurden höhere Artenzahlen aller getesteten taxonomischen Gruppen belegt. Vergleichbar beeinflusste auch die Diversität an Habitattypen die Artenzahl von Gefäßpflanzen und Vögeln positiv, nicht aber die der Säugetiere. Bezogen auf Distanzeffekte, wurde ein positiver Effekt der Distanz zur nächsten Freifläche auf alle getesteten Artengruppen nachgewiesen. Eine große Distanz zum Stadtrand verringerte die Anzahl an Zierpflanzen, während eine hohe Konnektivität zwischen den Flächen die Anzahl an einheimischen Gefäßpflanzen und die Gesamtartenzahl der Säugetiere erhöhte. Die mehrfaktoriellen Analysen zeigten, dass die Flächengröße, die Distanz zum Stadtrand, die Flächenform und die Habitatheterogenität, gemessen durch die Anzahl und die Diversität der Habitattypen, am besten die Gesamtartenzahl der Gefäßpflanzen erklärte. Die Anzahl an einheimischen und gefährdeten Gefäßpflanzen, als auch die Gesamtartenzahl und die Anzahl an einheimischen Arten der Vögel wurde am besten durch die gleiche Auswahl an Einflussfaktoren erklärt, wobei die Distanz zum Stadtrand und die Flächenform keinen signifikanten Einfluss zeigten. Die Flächengröße, die Distanz zum Stadtrand als auch die Flächenform beeinflussten die Anzahl an nicht einheimischen Gefäßpflanzen und Zierpflanzen, als auch den Anteil einheimischer Pflanzenarten und Zierpflanzen. Je größer die Freifläche und je geringer die Distanz zum Stadtrand, desto höher war die Anzahl an nitrophilen Gefäßpflanzen. Eine zunehmende Flächengröße war der einzige Einflussfaktor, der die Anzahl an gefährdeten Vogelarten, die Gesamtartenzahl und die Anzahl an einheimischen Arten der Säugetiere, als auch den Anteil der gefährdeten Gefäßpflanzen beeinflusste. Keine der getesteten Einflussfaktoren hatte einen signifikanten Effekt auf den Anteil an nitrophilen Gefäßpflanzen. Die übergeordnete Artenvielfalt, d.h. die Gesamtartenzahl der Vögel, Gefäßpflanzen und Säugetiere zusammen, wurde am besten durch die Flächengröße in Kombination mit der Habitatheterogenität erklärt. Um mögliche Unterschiede in verschiedenen Klimaregionen zu ermitteln wurden die Einflussfaktoren auf die Artenzahlen der Gefäßpflanzen in Hannover mit Daten aus Haifa in Israel verglichen. Für die unterschiedlichen klimatischen Regionen wurde festgestellt, dass sich die Gesamtartenzahl und die Artenzahl von einheimischen Gefäßpflanzen mit zunehmender Flächengröße erhöhen. Dennoch wurde keine signifikante Beeinflussung der Anteile von einheimischen Gefäßpflanzen durch die Flächengröße in Hannover oder Haifa nachgewiesen. Für den Einfluss der Distanz zum Stadtrand konnte ebenfalls kein Einfluss auf die Gesamtartenzahl oder die Anzahl oder den Anteil von einheimischen Arten für die beiden Städte nachgewiesen werden. Abschließend wurde die Frage beantwortet, ob mehrere Erfassungsplots mit der Möglichkeit einer Hochrechnung von Artenzahlen eine effektive und effiziente Möglichkeit zur Bestimmung der Artenzahlen in bewaldeten Freiflächen ist. Hier wurden die Ergebnisse der Modified Whittaker Plot Methode mit den Ergebnissen einer Vollerhebung verglichen. Die Modified Whittaker Plot Methode zeigte Schwächen bei der Hochrechnung der Gesamtartenzahl und der Anzahl gefährdeter Arten der Gefäßpflanzen. Entsprechend wiesen auch die Einschätzung des Habitatwertes Schwächen, besonders für große Habitate auf. Allerding war diese Methode vor allem für die großen Habitate im Hinblick auf den zeitlichen Aufwand der Erfassung effizienter. Aus diesem Grund kann die Modified Whittaker Plot Methode grundlegende Informationen geben, welche für weitere Erhebungen genutzt werden können. Insgesamt zeigt meine Arbeit, dass es verschiedene relevante Aspekte für den Naturschutz gibt, die beachtet werden müssen, wenn das Ziel einer hohen Artenvielfalt in urbanen Grünflächen verfolgt wird. Die maßgeblichen Einflussfaktoren für die Artenzahlen der untersuchten taxonomischen Gruppen sind zu einem gewissen Grad vergleichbar. Die Flächengröße und die Habitatheterogenität sind maßgebliche Einflussfaktoren für die Gefäßpflanzen und Vögel, aber auch für die übergeordnete Artenvielfalt aus allen hier betrachteten taxonomischen Gruppen. Beide Faktoren wurden bereits in vielen anderen vergleichbaren Studien als wichtig identifiziert. Trotzdem wird in anderen Studien oft die direkte Umgebung als ein weiterer, wichtiger Einflussfaktor benannt. In der vorliegenden Arbeit wurde nur ein relevanter Einfluss der Distanz zur nächsten Freifläche in der einfaktoriellen Analyse bestätigt. In der multivariaten Analyse war der Einfluss dieses Faktors vermutlich zu schwach, um ihn noch nach dem Einfluss von Flächengröße und Habitatheterogenität zu bestätigen. Die Relevanz der Flächengröße für die Artenzahlen wurde in der Untersuchung der unterschiedlichen klimatischen Region von Haifa unterstrichen. Die Errechnung von Artenzahlen und die Zuweisung eines Habitatwertes auf Grundlage der Modified Whittaker Plot Methode zeigte wichtige Informationen über den potenziellen Wert von urbanen Grünflächen. Allerdings ersetzt die Methode keine Vollerhebungen, da sie keine einzelnen Arten identifiziert, die einem Gefährdungs- oder Einwanderungsstatus zugeordnet werden können. Trotzdem kann die Modified Whittaker Plot Methode genutzt werden, um grundlegende Informationen über den Wert von urbanen Freiflächen zu erheben. Aus den Ergebnissen werden folgende Empfehlungen für eine nachhaltige urbane Entwicklung für die getesteten taxonomischen Gruppen abgeleitet: Grünflächen sollen nicht verkleinert werden oder verschwinden, die Flächen sollen mit heterogenen Habitaten erhalten, entwickelt und geplant werden, besonders maßgebliche Einflussfaktoren können auf Städte in anderen klimatischen Regionen übertragen werden, ein effektives Arten-Monitoring und Bewertungssystem wird für urbane Freiflächen benötigt, wohingegen die Modified Whittaker Plot Methode nur grundlegende Informationen liefern kann, und eine urbane Entwicklung soll spezielles Augenmerk auf die Flächencharakteristika legen. Es konnten einige der existierenden Forschungslücken bezogen auf die Artenvielfalt urbaner Grünflächen geschlossen werden. Trotzdem sind weiterführende Untersuchungen wichtig. Diese könnten zusätzliche beeinflusste Artengruppen und Einflussfaktoren, eine höher Anzahl an Studien in gleichen klimatischen Regionen, den Test weiterer statistischer Analysen oder eine Bestimmung des Wertes von Habitaten beinhalten. Da der Verlust an Arten in verschiedenen Lebensräumen anhält, sind der Erhalt der Artenvielfalt und die Umsetzung des aktuellen Forschungstandes in der Stadtplanung von größter Wichtigkeit.

Organisationseinheit(en)
Institut für Umweltplanung
Typ
Dissertation
Anzahl der Seiten
53
Publikationsdatum
2018
Publikationsstatus
Veröffentlicht
Ziele für nachhaltige Entwicklung
SDG 11 – Nachhaltige Städte und Gemeinschaften
Elektronische Version(en)
https://doi.org/10.15488/3093 (Zugang: Offen)